Pest in der Lyrik
Die Pest - Eine Phantasie |
Tränen des Vaterlandes |
Menschliche Elende |
Thränen in schwerer Kranckheit |
Die Hölle
Die Pest - Eine Phantasie [Friedrich Schiller, 1782]
- Gräßlich preisen Gottes
Kraft
- Pestilenzen, würgende
Seuchen,
- Die mit der grausen
Brüderschaft
- Durchs öde Tal der Grabnacht
schleichen.
-
- Bang ergreifts das klopfende
Herz,
- Gichtrisch zuckt die starre
Sehne,
- Gräßlich lacht der Wahnsinn
in das Angstgestöhne,
- In heulende Triller ergeußt
sich der Schmerz.
-
- Raserei wälzt tobend sich im
Bette -
- Giftger Nebel wallt um
ausgestorbne Städte,
- Menschen - hager - hohl und
bleich -
- Wimmeln in das finstre
Reich.
-
- Brütend liegt der Tod auf
dumpfen Lüften,
- Häuft sich Schätze in
gestopften Grüften -
- Pestilenz sein Jubelfest.
- Leichenschweigen -
Kirchhofstille
- Wechseln mit dem
Lustgebrülle,
- Schröcklich preiset Gott die
Pest.
Tränen des Vaterlandes [Andreas Gryphius, 1636]
- Wir sind doch nunmehr ganz,
ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun,
Das vom Blut fette Schwert, die donnerne Kartaun
Hat aller Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret.
Die Türme stehn in Glut, die Kirch ist umgekehret
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfraun sind geschänd`t, und wo wir hin nur schaun,
ist Feuer, Pest und Tod, der Herz und Geist durchfähret.
Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut
Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fort gedrungen.
Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot,
Dass auch der Seelenschatz so vielen abgezwungen.
Menschliche Elende [Andreas Gryphius, 1637]
Was sind
wir Menschen doch? ein Wohnhauß grimmer Schmertzen
Ein Ball des falschen Glücks / ein Irrlicht diser Zeit.
Ein Schauplatz herber Angst / besetzt mit scharffem Leid /
Ein bald verschmeltzter Schnee und abgebrante Kertzen.
Diß Leben
fleucht davon wie ein Geschwätz und Schertzen.
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid
Vnd in das Todten-Buch der grossen Sterblikeit
Längst eingeschriben sind / sind uns aus Sinn und Hertzen.
Gleich wie
ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt /
Vnd wie ein Strom verscheust / den keine Macht auffhält:
So muß auch unser Nahm / Lob / Ehr und Ruhm verschwinden /
Was itzund
Athem holt /muß mit der Lufft entflihn /
Was nach uns kommen wird / wird uns ins Grab nachzihn
Was sag ich? wir vergehn wie Rauch von starcken Winden.
Thränen in schwerer Kranckheit [Andreas Gryphius, 1663]
Ich bin
nicht der ich war / die Kräffte sind verschwunden /
Die Glider sind verdörr't / als ein durchbrandter Grauß:
Mir schaut der schwartze Tod zu beyden Augen aus /
Ich werde von mir selbst nicht mehr in mir gefunden.
Der Athem wil nicht fort / die Zunge steht gebunden /
Wer siht nicht / wenn er siht die Adern sondern Mauß /
Die Armen sonder Fleisch / daß diß mein schwaches Hauß
Der Leib entbrechen wird / noch inner wenig Stunden.
Gleich wie die Wisen Blum lebt wenn das Licht der Welt
Hervor bricht / und noch ehr der Mittag weggeht / fällt;
So bin ich auch benetzt mit Thränen-tau ankommen:
So sterb ich vor der Zeit. O Erden gute Nacht!
Mein Stündlein laufft zum End / itzt hab ich außgewacht
Vnd werde von dem Schlaff des Todes eingenommen.
Die Hölle
[Andreas Gryphius,1663]
Ach! und
Weh!,
Mord! Zetter! Jammer / Angst / Creutz! Marter! Würme!
Plagen.
Pech! Folter! Hencker! Flamm! Stanck! Geister! Kälte! Zagen!
Ach vergeh!
Tiff' und Höh?!
Meer! Hügel! Berge! Felß wer kan die Pein ertragen?
Schluck Abgrund! ach schluck' ein! die nichts denn ewig
klagen.
Je und Eh!
Schreckliche Geister der tunckelen Hölen / ihr die ihr
martret und Marter erduldet
Kan denn der ewigen Ewikeit Feuer / nimmermehr büssen diß
was ihr verschuldet?
O grausamm' Angst stets sterben / sonder sterben!
Diß ist Flamme der grimmigen Rache / die der erhitzete Zorn
angeblasen:
Hir ist der Fluch der unendlichen Straffen / hir ist das
immerdar wachseride Rasen:
O Mensch! Verdirb / umb hir nicht zu verderben.
|