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Pest als bakterielle Erkrankung des Menschen

 

3.1 Krankheitstypen

Es existieren sieben Erscheinungsformen der Pest. Bei Pandemien treten alle Formen der Erkrankung auf.

3.1.1 Beulenpest

Die Beulenpest wird auch Bubonenpest genannt (lateinisch bubo = Beule). Es ist mit 75 bis 97% die häufigste klinische Form der natürlich auftretenden Pest. Unbehandelt führt die Beulenpest oft zu einer Pestsepsis oder einer sekundären Lungenpest. Bei sehr seltenen Fällen kann eine Meningitis folgen. Die Ansteckung erfolgt gewöhnlich durch den Biss eines Flohs, aber in einigen Fällen auch durch direkte Inokulation von infiziertem Gewebe, z.B. durch den Stich einer infizierten Nadel. Die Inkubationszeit der Beulenpest beträgt 1 bis 7 Tage. Die Symptomatik ist mannigfaltig. Die Krankheit beginnt mit hohem Fieber bis 41°C, das oft im gesamten Krankheitsverlauf hoch bleibt. Außerdem leidet der Patient an Kopf- und Gliederschmerzen, Schüttelfrost, Schwindelgefühl, Benommenheit und einem starken Krankheitsgefühl. Später können Bewusstseinsstörungen wie Teilnahmslosigkeit einsetzen. Weitere mögliche Erscheinungen sind ein erhöhter Herzschlag, ein niedriger Blutdruck, Beklemmung, Angst und verminderte oder gar keine Harnausscheidungen. Das bekannteste Symptom ist die Beule.
 

▲ Beulen in der Leistengegend

▲ Beule am Hals

 
Erst ca. 24 Stunden nach Beginn der Beschwerden ist die erste Beule mit einem Durchmesser von 1 bis 10 Zentimeter sichtbar. Sie entsteht durch die Infektion der Lymphknoten, die dadurch anschwellen. Sie ist von einem schwarzen Ödem umgeben und die Haut darüber ist warm, adhärent und entzündlich gerötet. Zunächst ist die Beule hart, aber die Zunahme der körpereigenen Abwehrzellen führt zu Eiteransammlungen und dadurch wird sie etwas weicher. Sie ist sehr berührungsempfindlich. An den Bissstellen des Flohs können möglicherweise Pusteln, Blasen, Hautgeschwüre und schorfige Stellen entstehen. Am häufigsten treten die Beulen mit 65-75% in der Leistengegend auf. Dies ist durch die geringe Sprungweite des Flohs zu erklären, der oft nur die Beine erreicht, sodass die nächstgelegenen Lymphknoten am Oberschenkel und in der Leistengegend betroffen sind. In 10-20% der Fälle tritt die Primärbeule an den Achseln und in 5-10% im Halswirbelbereich auf. In seltenen Fällen kommt es zur Öffnung der Beule mit Drainage. Am Ende der ersten Krankheitswoche werden weitere Lymphknoten befallen.

3.1.2 Lungenpest

Die Lungenpest kann aus Komplikationen der Beulenpest und Pestsepsis entstehen. Dann handelt es sich um die sekundäre Lungenpest. Wenn sie aber durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen wurde, ist es die primäre Lungenpest. Die Inkubationszeit ist sehr gering und liegt bei wenigen Stunden bis 4 Tagen. Die Lungenpest entwickelt sich von allen Pestformen am schnellsten. Die Kontagiösität ist sehr hoch. Die primäre Lungenpest verläuft heftiger als die sekundäre, da durch das Einatmen des Erregers die Abwehrbarrieren der Lymphknoten umgangen werden. Die Symptome starten plötzlich mit Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit, Schwindel, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen. Am 2. Tag treten pulmonale Zeichen wie Husten schwarz-blutiger Auswurf, Atemnot, Schmerzen im Brustkorb und erhöhte Atemfrequenz auf. Der Auswurf ist hochinfektiös und wird extrem schmerzhaft abgehustet. Nach dem Befall weiterer Lungenabschnitte resultiert ein schweres Atmen und eine Blaufärbung der Haut, Schleimhäute und vor allem der Lippen in Folge des Sauerstoffmangels. Außerdem sind weitere gastrointesintalen Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall möglich.

3.1.3 Pestsepsis

Die Pestsepsis entsteht durch die Infektion des Blutes von außen, z.B. durch offene Wunden. Sie kann aber auch durch Komplikationen aus Beulen- und Lungenpest entstehen. Im Blutstrom können sich die Erreger im ganzen Körper verteilen. Symptome sind hohes Fieber, Lethargie, allgemeines Unwohlsein, Schüttelfrost, Bewusstseins- und Orientierungsstörungen und Darmverschluss. Weitere Symptome sind nicht von anderen gramnegativen Sepsen zu unterscheiden. Es entsteht ein septischer Schock, verbreitete Blutgerinnungsstörungen in Gefäßen mit Gefäßwandentzündungen, bläuliche Blutflecken und großflächige Hautblutungen. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung kann ein Absterben der Zellen der distalen (körperfernen) Teile des Körpers, z.B. von Zehen, Nasenspitze und Fingern einsetzen. Verursacht wird dies durch die Thrombose in den kleinen Arterien. Hierbei entwickelt sich die Krankheit extrem schnell. Bei direkter Infektion des Blutes verstirbt der Patient oft schon bevor Symptome auftreten.

3.1.4 Abortive Pest

Die abortive Pest ist die harmloseste Pestform. Symptome sind ein leichtes Fieber und eine geringe Schwellung der Lymphknoten. Die Symptome verschwinden meist innerhalb einer Woche. Sie kommt nur in bestimmten geographischen Gebieten vor. Nach der überstandenen Infektion werden Antikörper gebildet. Diese gewähren eine lang anhaltende Immunität.

3.1.5 Hautpest

Die Hautpest ist eine weitere Sonderform der Pest. Symptome sind Pusteln (Hautblasen), Karbunkel (eitrige Entzündungen von Haarfollikeln), Hautblutungen und Phlegmonen (fortschreitende Entzündungen des Bindegewebes).

3.1.6 Pest-Pharingitis

Diese Variante ist äußerst selten. Sie entsteht wahrscheinlich durch Verschlucken oder Inhalieren des Bakteriums. Kopfschmerzen und Lymphbeschwerden wie Entzündung der Lymphknoten am Hals, Anschwellen des Ohrspeicheldrüsenbereichs, ein trockener Hals, starkes Fieber und geschwollene und entzündete Mandeln sind die Symptome.

3.1.7 Pest-Meningitis

Diese Form ist ebenfalls selten. Sie kann als Komplikation aus einer nicht angemessen behandelten anderen Pestform entstehen. Wahrscheinlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Beulenpest und einer Meningitis.

3.2 Diagnostik und Identifizierung

Die Symptome eines Pestinfizierten zeigen meist nicht klar, dass es sich tatsächlich um den Erreger Yersina pestis handelt. Zur Differentialdiagnose zählt man meist auch Malaria, Q – Fieber, Fleckfieber, Brucellose und Typhus wenn kein Bubo (Beule) sichtbar ist. Existiert ein selbiger, wird neben der Pest als Erklärung der Krankheitserscheinungen auch Diphterie und Tularämie vermutet. Um das Pestbakterium klar zu bestimmen wird von speziellen Diagnose- und Identifizierungsverfahren gebrauch gemacht. Dafür wird zuerst Blut, Sputum oder Lymphknoteneiter entnommen. Bei Verstorbenen auch Teile der Milz. Nun werden von den entnommenen Bakterien Kulturen auf Blutagar, BHI-Agar und Mac-Conkey-Agar bei 28°C gezüchtet, wobei Blutagar am besten geeignet ist. Da Yersinia pestis nur langsam wächst, sind deutliche Kolonien erst nach bis zu 48 Stunden sichtbar. Eine wichtige Methode zur Diagnose ist die Mikroskopie. Man erkennt ein kurzes, eiförmiges Bakterium. Um Yersinia pestis besser sichtbar zu machen, werden die Bakterien zunächst angefärbt. Dies geschieht durch Färbung mit Methylenblau. Da eine Vakuole im Bakterium nicht angefärbt werden kann, ergibt sich eine Sicherheitsnadelform und eine bipolare Struktur. Diese Bipolarität ist bei den anderen Yersinien nicht vorhanden.
 
Wayson-Färbung von Yersinia pestis → Sicherheitsnadelform
 
Neben der Mikroskopie kann man Y. pestis auch durch Nachweis von spezifischen Antigenen identifizieren. Die Immunfluoreszenz wird zum Nachweis einer bestimmten Antikörperreaktion mit dem F1-Antigen von Y. pestis und einem Anti-F1-Serum benötigt. Hierbei wird ein fluoreszierender Farbstoff an einen Antikörper geheftet. Reagieren Antigen und Antikörper miteinander, kann man bei der Betrachtung unter dem Mikroskop diesen Farbstoff mit einem Laser bestimmter Wellenlänge anregen und somit die gesuchten Antigene sichtbar machen. Durch ELISA (Enzyme Linked Immunosorbent Assay) und Immunoblotverfahren kann Yersinien-spezifisches IgM (ImmunoglobulinM), Yersinien-spezifisches IgG und Yersinien-spezifisches IgA unterschieden werden. Sie dienen zum Einen als sehr genaue Bestätigungstests. Zum Anderen helfen sie bei der Beurteilung, ob eine noch floride, behandlungsbedürftige Infektion oder eine abgelaufenen und nicht mehr behandlungsbedürftige Infektion vorliegt. Auch durch charakteristische biochemische Reaktionen von Yersinien bzw. Yersinia pestis können diese, unter anderem durch die „Bunte Reihe“, identifiziert werden (siehe Bilder Tabellen).

3.3 Prophylaxe und Therapie

3.3.1 Prophylaxe und Therapie heute

In mitteleuropäischen Ländern besteht heute fast keine Pestgefahr mehr, da der hier recht hohe Hygienestandard den pestübertragenden Ratten die Lebensgrundlage – Müll und Abfall – größtenteils entzieht. Das ist in vielen armen Ländern anders, da es dort in den Slums oft schmutziges Wasser und keine Müllabfuhr gibt. Hungernöte führen zu einer geringeren Widerstandskraft gegen die Krankheit und fördern so die Ausbreitung des Yersinia – Bakteriums. Bereits der Verdacht, dass eine Pesterkrankung vorliegen könnte, ist nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtig. Erkrankte müssen isoliert und Kontaktpersonen für 6 Tage in Quarantäne genommen werden. Auf Reisen ist es besonders wichtig auf eine saubere, hygienische Lebenshaltung zu achten. Man sollte Kontakte mit Ratten und besonders zu Flöhen vermeiden. Auch mitgenommene Haustiere sollten flohfrei und gegebenenfalls mit einem „Antiflohmittel“ geschützt werden. Auch sollten sie nicht frei herumlaufen, um den Kontakt mit einheimischen Flohträgern zu vermeiden. Wenn man in ein pestgefährdetes Gebiet reist und mit einer Ansteckung zu rechnen ist, ist es ratsam sich einer Schutzimpfung zu unterziehen. Es standen bis 1999 zwei Totimpfstoffe, die Haffkine-Vakzine und die Cutler-Vakzine, mit nachgewiesener Wirkung gegen die Beulenpest zur Verfügung. Ihre Schutzwirkung gegen Lungenpest war jedoch gering. Diese in den USA entwickelten Impfstoffe schützen nur ungenügend und halten für bis zu 6 Monate. Von der Weltgesundheitsorganisation wird auf die schlechte Verträglichkeit der Impfung und häufige Nebenwirkungen aufmerksam gemacht. Ein Lebendimpfstoff ist in den USA ebenfalls verfügbar, er hat aber eine gewisse Virulenz und wird daher in den meisten Ländern als nicht für Menschen geeignet angesehen. Seit dem 10.01.2006 gibt es einen neuen US-deutschen Impfstoff, der sich als äußerst viel versprechend erweist. Denn 75% von den infizierten Meerschweinchen überlebten die Lungenpest. Die restlichen 25% starben zwar, zeigten aber eine gewisse Resistenz. Die Forscher konnten die immunogenen Proteine F1 und V aus Blättern gentechnisch veränderter Tabakpflanzen gewinnen. Daher könnte der Impfstoff in Tabakpflanzen preiswert und schnell produziert werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Vorbeugung mit Chemoprophylaxe (ähnlich der Malariavorbeugung) mit Tetrazyklinen. Yersinia pestis wird mit Tetrazyklinen, Co-trimoxazol und Chinolonen therapiert.

3.3.2 Prophylaxe und Therapie im Mittelalter

3.3.2.1 Religiöse Bewältigung

3.3.2.1.1 Reue und Buße
Tempore pestilentie penitencia et confessio medicamentis ceteris preferantur“ aus dem Regimen von KAMINTUS (ESSER 1999) bedeutetet soviel wie, dass in jedem Falle Sühne und Beichte anderen Arzneien zur Zeit der Pest vorzuziehen sei. Dies gibt die breite Ansicht der mittelalterlichen Bevölkerung wieder, da sie Gott als die höchste Instanz und größte Macht ansahen und hofften ihn mit Reue und Frömmigkeit zu besänftigen. Hinzu kam, dass sie die Pest hauptsächlich als eine Strafe Gottes ansahen. Daher hatte ein an Pest Erkrankter nach ihrer Meinung ein Leben voller Sünden geführt, wofür ihn nun Gott bestrafte. Deswegen dachten sie, dass ein Pestopfer im Zustand der Sünde starb und daher in die Hölle kommen würde. Wer also für sein Seelenheil vorsorgen wollte, musste sich mit Gott „versöhnen“. Da die Pest plötzlich auftrat und keine Zeit mehr zur Versöhnung mit Gott vorhanden war, sahen sich die Menschen zum Handeln gedrängt. Viele sahen den einzigen Ausweg, ihr Seelenheil zu erlangen, in einem gottgefälligen Lebenswandel. Dass Reue und Buße sie retten könne, sahen viele in der Bibel belegt. In der Antike kam der Prophet Jona auf Geheiß Gottes nach Ninive, um die nahende göttliche Strafe zu verkünden. Um Gott zu besänftigen, fasteten alle Bewohner. Da auch die Römer durch Fasten und Buße der Strafe Gottes entkommen sind, waren die Christen überzeugt, dass auch sie Gott so besänftigen könnten. Da die Römer jedoch Heiden waren und die gläubigen Christen sich näher zu Gott sahen, erwarteten sie eine größere Barmherzigkeit Gottes. Im Pestbuch von Brunschwig heißt es: „O wie vil grosser hilff mögen dan wir erleuchteten menschen warten sin, wan wir uns zuo cristo dem waren liecht der selen gekert haben.“ (ESSER 1999). Neben Fasten wollten auch viele Menschen mit körperlicher Peinigung Buße tun. Im Mittelalter zogen viele selbsternannte Bußprediger durchs Land. Der Höhepunkt der allgemeinen Pestpanik war die Geißlerbewegung in Deutschland. Bußwillige konnten sich ihr für 33 Tage und 8 Stunden anschließen, mussten sich jedoch dreimal täglich öffentlich körperlich misshandeln. Die Kirche forderte außerdem zur Enthaltsamkeit auf, da ihrer Meinung nach „Sexualstoffe“ eine Verunreinigung des Körpers, die zur Entfernung von Gott führte, hervorriefen. Daher wurden Absteigen und Freudenhäuser geschlossen, Prostitution strikt verboten und baden in öffentlichen Badestuben untersagt.
3.3.2.1.2 Heiligenverehrung
In Pestzeiten wurden mehr als 60 Pestheilige verehrt. Diese sollten die Menschen vor der Pest bewahren. Entweder aus eigener Kraft oder in dem sie Gott von seinem Plan zu Strafen abbrachten. Oft waren diese Heiligen Märtyrer. In Gebeten wurde ihr Heiligenverdienst Gott als Ausgleich der menschlichen Sünden dargeboten, die eigentlich mit der Pest bestraft werden müssten. Die berühmtesten Pestheiligen waren der heilige Sebastian und der heilige Rochus. Sebastian hatte während der diokletanischen Christenverfolgung ein Pfeilmartyrium zu erleiden, dass er jedoch überlebte. Im Mittelalter wurden die überlebte Pfeilmarter und die Pest, die im Glauben der Menschen von Gottes Pfeilen auf die Erde gesandt wurde, in Zusammenhang gebracht. Da Sebastian an den Pfeilen nicht gestorben war, etablierte er sich als Pestpatron, weil er daher auch die Menschen vor den „Pfeilen Gottes“, der Pest, retten könne.
3.3.2.1.3 Gaben und Bruderschaften
Zur Zeit der Pestepidemien wurden immer mehr Bruderschaften gegründet. Ihr Hauptanliegen war zunächst das gegenseitige Gebetsgedächtnis. Auch wegen ihrer Angst vor der Hölle und dem daraus gründenden Wunsch sich das heilswirksame Gedenken anderer zu sichern, erlebten die Pestbruderschaften rasches Wachstum. Die Anhänger wollten ihre Seelen gegenseitig vor der Pest und der damit verbundenen Verdammnis schützen. Dies geschah jedoch nicht nur unter den Lebenden. Es wurden auch Messen und Gebete für die verstorbenen Brüder gehalten. In dem sie stellvertretend für die Toten Wiedergutmachung für ihre Taten in Form von Gebeten und Abbuße leisteten, sollte die Höllenpein der sündigen Opfer verkürzt werden. Auch ein ehrenvolles Begräbnis, welches zu den wichtigsten Dingen überhaupt zählte, wurde von der Bruderschaften gewährleistet. Doch auch Ablässe und Almosen sollten bei der Versöhnung mit Gott helfen. In einem mittelalterlichen Buch heißt es: „wie durch das Bad des heilbringenden Wassers das Feuer der Hölle gelöscht wird (Taufe), durch Almosen [...] die Flamme der Sünden sich ersticken lässt.“ (ESSER 1999). Um „verdienstliches Werk“ zu leisten wurden auch viele karitative Stiftungen gegründet. Spitäler, unter denen wir heute Krankenhäuser verstehen, beschäftigten sich jedoch erst viel später mit der medizinischen Versorgung. Die meisten Spitäler nahmen eine bestimmte Zahl von Kranken, Armen und Obdachlosen auf, die sie betreuten und mit Nahrung versorgten. Meist tat das Spital dies nicht uneigennützig. Von den Armen wurde eine Gegenleistung in Form von Gebeten für den Stifter des Spitals abverlangt. Im Spital bzw. Bruderhaus St. Sebastian waren dies morgens 25 Paternoster, 25 Ave Maria und drei Glaubensbekenntnisse. Vor dem Früh- und Nachtmahl sollten 3 Paternoster und 3 Ave Maria gebetet werden. Zur Vesper mussten noch einmal 10 Paternoster, 10 Ave Maria und 3 Glaubensbekenntnisse gesprochen werden. „Jeder ‚Bruder’ soll peten und sprechen, das got [...] dem stifter [...] den ewigen lon geben will.“, heißt es im Stiftungsbrief des Bruderhauses St. Sebastian aus Eichstätt. Durch die Stiftung des Spitals werde gleichzeitig „ein sogenanntes Seelgeschäft zum Seelenheil des Stifters abgeschlossen: Kapital gegen Gebet“ schreibt Knefelkamp in seinem Buch „Spital“ (ESSER 1999).

3.3.2.2 Medizinische Vorkehrungen

Man glaubte, dass die Medizin im Falle der Pest, einer mutmaßlichen Strafe Gottes, nicht viel nutzen würde. Nur der, welcher die Krankheit zu den Menschen brachte, konnte sie wieder entfernen. Trotzdem gewann die Medizin immer mehr an Bedeutung und man versuchte immer mehr ein wirksames Mittel, meist auf Kräuterbasis, zu erfinden. Vor allem Ingwer und Engelwurz wurde eine schützende Wirkung zugeschrieben. Ärzte kauten zu Pestzeiten Angelikawurz (Engelwurz), denn sie hofften, das dies eine wirksame Vorbeugungsmaßnahme sei. Im Jahre 1771 schrieb ein Herr Buchoz, dass man um sich zu schützen, die Kleidung mit Pulver aus der eben genannten Pflanze bestreuen soll. In Sagen „rieten“ auch Vögel zur Verwendung von bestimmten Heilpflanzen. In Neustadt soll ein Vogel über die Kirche geflogen sein und geraten haben, Pimpinelle zu essen, um verschont zu bleiben. Auch in Waldkirch rief ein Vogel "Eßt Bibernell, dann sterbt ihr nicht so schnell.". In Eßlarn sangen die Vögel "Tout`s Pumlwurz grobn, dann tout`s Leben davon trogn.". Weil die Pesterkrankung von einigen Menschen auf eine „faulige“ Luft zurückgeführt wurde, sah man das Räuchern und Räucherwerk als wirksames Mittel gegen den „Pesthauch“. Um der Pest zu entgehen ließ man auch Tag und Nacht hell loderndes Feuer brennen. Von Ärzten wurden Amulette verschrieben. Um die Pest zu heilen, öffneten sie die Pestbeulen (Beulenpest) und ließen den Eiter ablaufen, welches eine der besten damaligen Heilungsmöglichkeiten war. Da sich die Hauptzahl der Pestbakterien in den Beulen, also den geschwollenen Lymphknoten befinden, wird der Körper vom Großteil der Bakterien befreit. Dann ist es in manchen Fällen für das Immunsystem möglich mit den bereits produzierten Antikörpern die restlichen Pestbakterien abzutöten. Die Ärzte schützten sich selbst mit gewachster Kleidung und Kräuterdämpfen vor ihrem Gesicht. Die großen Städte versuchten mit allen Mittel verschont zu bleiben. Die Stadttore wurden geschlossen, das einzige offene Tor Tag und Nacht bewacht. Die Pestkrankenhäuser wurden außerhalb der Stadttore errichtet. Kein Fremder und Einheimischer durfte durch die Tore. Reisende mussten 40 Tage vor den Stadtmauern verbringen. Das war die damalige und recht wirkungsvolle Form der Quarantäne (lat. quaranta = 40). Die Pestkranken hätten diese Zeitspanne nicht überlebt. Sie wären schon nach einigen Tagen der Pest erlegen. Post wurde geräuchert und Geld mit starkem Essig gewaschen. Bei Pestverdacht wurde die Straße gesperrt und jeglicher Kontakt zu Verdächtigen unter hoher Strafe verboten. Eine weitere Vorbeugungsmaßnahme war die direkte Beerdigung von Toten - meist in Massengräbern. Hierfür wurde ein speziell konstruierter Sarg verwendet. Dieser hatte an der Unterseite zwei Klappen, durch die der Tote ohne großen Aufwand ins Grab befördert werden konnte. Außerdem war er schnell einsatzbereit für den nächsten Toten. Nach der Beerdigung wurden die Häuser der gestorbenen Infizierten gründlich, manchmal gar mit Essig, gereinigt. In Venedig wurde nach einem Pestausbruch sogar ein magistrato della sanita ernannt, dessen Tätigkeitsfelder sich von der Lebensmittelüberwachung bis zur Armenfürsorge und zur Kontrolle über die Prostituierten erstreckte.

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