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Die Pest in der Geschichte

4.1 Große Pestzüge

4.1.1 Die Pest in der Antike

Die erste überlieferte Pestepidemie in der Geschichte der Antike war die „Pest des Justinian“. Sie ist nach dem byzantinischen Kaiser Justian I. benannt. Diese lang anhaltende Epidemie, die sich über weite Teile des Ost- und Weströmischen Reiches erstreckte, dauerte vom 6. Jahrhundert n.Chr. bis zum 8. Jahrhundert n.Chr.. Der Ursprung der Seuche soll in Ägypten gewesen sein. Dies wurde in alten Schriften von Prokop von Cäsarea überliefert. Er schrieb: „ (Dass sie) auf ihrem Schreckenszug niemanden (verschont hat). [...] Keine Insel, keinen Berggipfel, wo Menschen ihre Heimstätte hatten.“ (aus VASOLD 2003). Dies bringt zum Ausdruck, wie schrecklich die Pest gewütet haben muss. Sie breitete sich dann von der Ägyptischen Hafenstadt Alexandria entlang des Mittelmeeres aus. Dabei wurden auch Länder wie Syrien und Teile Nordafrikas nicht verschont. Die Stadt Byzanz wurde schließlich im Frühjahr erreicht. Byzanz war damals die Hauptstadt des Oströmischen Reiches und soll in den Jahren nach 540 n.Chr. ungefähr 300.000 Einwohner gehabt haben. Prokop schilderte die Symptome und Auffälligkeiten der Kranken: „Dabei war der Körper bei einigen Menschen mit linsengroßen, schwarzen Blasen überseht und die Kranken lebten keinen einzigen Tag mehr.“ (aus VASOLD 2003). Diese Symptome könnten auf die Beulen hinweisen. Außerdem beschrieb er noch andere Symptome, die ebenfalls auf die Seuche hinweisen, diesmal auf die Lungenpest. Schon zu dieser frühen Zeit erkannte Prokop einige Symptome der Krankheit. In der ganzen Stadt herrschte Angst und Schrecken. Keiner verließ mehr sein Haus, bis es schließlich zu Hungersnot kam. Die Versorgung an Getreide riss ab, denn keiner ging mehr arbeiten, aus Angst zu erkranken. Gleich nach dieser schrecklichen Epidemie wurde das Byzantinische Reich in der Mitte des 8. Jahrhunderts nochmals von der Pest heimgesucht. Bei dieser schweren Seuche sollen ganze Familien ausgelöscht wurden sein. Wie viele Menschen damals der Pest zum Opfer gefallen sind, kann man bis heute nicht genau sagen. Angaben von früher kann man dabei nicht vertrauen, da die Menschen ein ganz anderes Verhältnis zu Zahlen hatten. Heute geht man ungefähr davon aus, dass in der Zeit von 541 n.Chr. bis 544 n.Chr. ein Fünftel bis ein Viertel der Einwohner gestorben sind. Bis zur Mitte des 8. Jahrhundert ist die Bevölkerungszahl im Mittelmeerraum wohl um die Hälfte gesunken.

4.1.2 Die Europäische Pestepidemie im Spätmittelalter

Als die schreckliche Pest im Byzantinischen Kaiserreich schon fast wieder vergessen war, brach der nächste fürchterliche Seuchenzug los. Diesmal suchte er um 1347 bis 1353 ganz Europa heim. Woher der „Schwarze Tod“ diesmal kam, weiß man nicht genau. Aber alles spricht dafür, dass der Herd der Seuche in den menschenleeren Steppen Innerasiens lag. Die Pest war dort schon lange unter den dort hausenden Nagetieren eine weit verbreitete Krankheit. Träger des Pesterregers waren vor allem die in den Steppen Innerasiens lebenden Bobaks und Steppenmurmeltiere. Bobakfelle waren zu dieser Zeit eine sehr begehrte Handelsware. Deswegen zogen Pelztierjäger in die Steppen um die Bobaks zu jagen. Dort infizierten sie sich dann mit der Pest. Sie nahmen die Felle mit in die Städte Chinas. Dort gab es sehr viele Ratten, die sich auch an den Fellen infizierten. Diese Ratten übertrugen das Bakterium weiter auf andere Menschen. So verbreitete sich die Seuche rasend schnell. Die Pest reiste dann mit den Karawanen der Händler durch die Weiten Asiens bis zu den Mongolen, die dann in Folge von Kriegszügen in Richtung Westen gingen. 1347 belagerten die mongolischen Krieger die Stadt Kaffa am Schwarzen Meer. Dort wurde die Pest auch das erste Mal als „Biowaffe“ eingesetzt. Man katapultierte die Pestleichen in die besetzte Stadt, um die in der Stadt befindlichen Soldaten zum Aufgeben zu zwingen. Aber plötzlich zogen sich die Mongolen ohne Grund zurück. Zurück blieben Tausende Tote durch die Pest. Aus Panik verließen 12 Galeeren die Stadt. Sie fuhren in Richtung Mittelmehr. Im September 1348 erreichte die Pest Kairo. Wie immer wurden die Zahl der Opfer dort weit übertrieben, es wurde von 20.000 Toten am Tag berichtet. Dieser Zahl kann man natürlich keinen Glauben schenken. Man weiß nur, dass der Textilindustrie schnell die Arbeiter fehlten. Auch die Gegend im „Goldenen Halbmond“, heute in Westsyrien, meldete drastischen Bevölkerungsrückgang.

4.1.2.1 Der Ausbruch in Italien

Im Herbst 1347 brachten die Galeeren die Pest nach Italien. Nach dem Eintreffen der Schiffe breitete sich die Pest dort rasch aus. Vor allem die großen Städte hatten große Verluste zu beklagen. Florenz soll fast die Hälfte seiner 100.000 Einwohner verloren haben. Auch in Venedig soll jeder zweite Einwohner gestorben sein. Ein zeitgenössischer Historiker berichtete: „Die Merkmale dieser so schrecklichen Pest sind Drüsenschwellungen, die im Leistenbereich oder unter den Achseln aufbrachen, [...]. Diese Symptome waren mit unerträglicher Fieberhitze und extremer Müdigkeit verbunden.“ (aus VASOLD 2003). Er schrieb außerdem noch, dass die Pest bei Frauen stärker als bei Männern und bei Kindern stärker als bei Alten gewütet hat. Es gibt noch viele andere Quellen aus dieser Zeit und alle stimmen ungefähr überein. Alle berichteten, dass es schon reicht mit jemanden zu sprechen, um sich anzustecken. Außerdem gaben viele Quellen den Hinweis auf das Sterben in zwei oder drei Tagen und den Bluthusten der Betroffenen. Die Menschen erklärten sich das Auftreten der Pest mit dem Zorn der Götter, den sie erweckt haben sollen. Nirgendwo ist über diese erste Pestepidemie stärker und umfassender berichtet worden als in Italien. Das kann vielleicht daran liegen, dass die Seuche in Italien besonders heftig war und tiefe Einschnitte in das Leben der Bevölkerung nahm. Italien hatte für die Pest auch ein sehr günstiges Klima, was die Stärke der Seuche begründet. Die Sommertemperaturen waren sehr hoch und das Mittelmeerklima liefert die Feuchtigkeit. Man weiß aber nicht, ob es auch noch eine andere Infektionskrankheit gegeben hat, die auch für das Massensterben verantwortlich sein konnte. Es gibt zwar keinen Zweifel, dass die Pest grassierte, aber es gibt auch einige Indizien, dass zusätzlich noch Milzbrand aufgetreten ist. Einige Jahre vor der Pest gab es auch schon ein ungeklärtes Massensterben, nämlich 1339/1340. Also könnten noch Erregerherde bestanden haben. Außerdem wurde berichtet, dass auch Tiere infiziert waren und gestorben sind. Heute weiß man, dass Tiere gegenüber der Pest unempfindlich sind. So kann es sein, dass es noch eine weitere Seuche gegeben hat.

4.1.2.2 Die Ausbreitung der Seuche nach Norden und Nordwesten

Italien war nur die erste Station der Seuche, die sich immer weiter nach Westen ausbreitete. Als erstes betroffen, war die Stadt Marseille, wovon sich die Pest dann weiter nach Lyon und Toulouse ausbreitete. Von dort aus ging es dann immer weiter in nördlicher Richtung. In Frankreich breitete sich die Pest relativ langsam aus, einige Gebiete blieben sogar erst einmal verschont. Die Britischen Inseln und somit auch England waren etwa gegen Jahresmitte 1348 betroffen. Sie gelangte offenbar an mehrere Häfen ungefähr gleichzeitig und verbreitete sich in das Landesinnere, wobei sie in den so genannten „Midlands“ stärker gewütet hat als in den Küstenregionen. Hinsichtlich der Bevölkerungsschichten hatte der niedere Klerus die meisten Verluste (ca. 40 %) zu verzeichnen und Bischöfe, die meist älter sind, nur etwa 18 %. Die Gesamtverluste liegen bei etwa ein Drittel der Bevölkerung. Trotz dieser hohen Verluste gibt es nur wenige Überlieferungen und Hinweise auf die Pest. Wann und von wo die Pest nach Deutschland kam, kann man nicht genau nachweisen. Man müsste annehmen, dass das südlichste Territorium im heutigen Deutschland, also Bayern, zuerst betroffen wurde. Doch die Alpen bildeten ein Hindernis für den Verkehr und somit auch für die Pestübertragung. Der wichtigste Weg durch die Alpen war über den Brennerpass, der damals schon ein oft benutzter Alpenpass war. Vielleicht nahm die Pest zunächst den Weg westlich der Alpen in Richtung Norden. Eine andere Variante ist, dass die Pest über die Nordsee nach Deutschland kam und sich dort über die Flüsse weiter in das Innere verbreitete. Es ist sehr schwierig den Weg der Pest in Deutschland zu verfolgen, da es nur Aufzeichnungen der Städte gibt und keine vom Land, denn die Mehrheit der Bevölkerung lebte in den Dörfern. Die folgende Abbildung zeigt die prozentualen Verluste durch die Pest in Mitteleuropa zur Zeit des Spätmittelalters vom 14. bis 15. Jahrhundert.
▲ Bevölkerungsverluste durch die Pest in Mitteleuropa (aus VASOLD 2003)
Die Zahl der Einwohner Europas ging seit Beginn des 14. Jahrhunderts stetig zurück. Daran hat aber nicht allein die Pest Schuld, sondern auch Faktoren wie ein sich verschlechterndes Klima und Hungersnöte. Nach 1470 begann die Bevölkerung dann wieder langsam zu wachsen, bis Seuchen des Dreißigjährigen Krieges, vor allem die Pest und Fleckfieber, den Anstieg erneut unterbrachen.

4.1.2.3 War es wirklich die Pest?

Aber war der „Schwarze Tod“ wirklich die Pest? Oder hat doch eine andere verheerende Seuche Millionen von Menschen das Leben gekostet. Das wird schon seit langem von Wissenschaftlern diskutiert. Aber es ist als feststehend zu betrachten, dass im 14. Jh. mehr als eine Seuche grassierte. Es waren mehrere Erkrankungen, die zu dieser Zeit wüteten. Wahrscheinlich sind die Ruhr, Infektionen des Respirationstraktes, Tuberkulose, Dysenterie, Typhus, Grippe, Pocken und Antoniusfieber. Eine Seuche aber überwogt stark. Das muss, nach neuesten Forschungen, aber nicht die Pest gewesen sein. Andere Krankheiten wie z.B. Ebola oder auch Anthrax, wären denkbar. Kein Wissenschaftler kann seine Theorie zu einer Erkrankung beweisen und die Argumente reichen noch nicht aus, um ein sicheres Urteil daraus zu schließen. Es ist noch viel Forschung notwendig, um endgültig zu klären, welche Krankheit die größte Geißel der Menschheit darstellte. Bis jetzt sprechen die meisten Argumente, vor allem das Symptom der Beulenbildung, für die Pest.

4.1.3 Pestepidemien im 20. Jahrhundert

Man verbindet die Pest zu Unrecht nur mit dem Mittelalter. Sie war zwar zu Beginn und gegen Ende des Mittelalters in Europa, vom 6. bis 8. Jahrhundert und vom 14. bis 15. Jahrhundert besonders präsent, blieb aber auch bis in die Neuzeit im 18. Jahrhundert und an den Rändern Europas sogar bis ins 19. bis 20. Jahrhundert vorhanden. In anderen Teilen der Welt gab es sogar größere Epidemien in jüngster Vergangenheit. Aus Europa ist die Pest seit langem verschwunden, aber weltweit gab es im 20. Jahrhundert noch Pestfälle.

4.1.3.1 Die Herkunft aus Asien

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich in Innerasien eine neue Pestepidemie auszubreiten. Die rasche Zunahme des Weltverkehrs förderte die Ausbreitung in aller Welt. Diese dritte Pandemie sollte bis zur Mitte des 20. Jahrhundert dauern und rund 15 Millionen Leben kosten. Die meisten Toten hatte dabei Indien zu vermelden, aber es gab auch 7.000 Tote in Europa, 30.000 Tote in Amerika, davon in den USA 500. Dampfschiffe samt ihren Ratten beförderten die Pest dann 1899 nach Europa. In Ägypten, dass die Verbindung zwischen Europa, Asien und Afrika darstellt, gab es von 1904 bis 1927 über 17.000 Tote. Wenig später gab es die ersten internationalen Bemühungen sich gegenseitig über die Pest zu informieren und so die Ausbreitung einzudämmen. 1897 fand eine internationale Sanitätskonferenz in Venedig statt, eine weitere gab es in Paris 1903. Um die dort beschlossen Maßnahmen zu überwachen, wurde das „Office international d’hygiène publique“ eingerichtet, das später zur Weltgesundheitsorganisation WHO wurde.

4.1.3.2 Die Silvatische Pest

In den Steppen der Mongolei und auch in weiteren Teilen Asiens bieten Murmeltiere dem Pesterreger einen idealen Unterschlupf. Kleinere Pestausbrüche gab es in vielen Teilen Südasiens und Afrikas. Im Sommer 1902 gab es in der Stadt Odessa, am Schwarzen Meer, etliche Pestfälle. Die Kranken gehörten meist zu ärmeren Bevölkerungsschichten, bei denen es viele Ratten gab. Neue Mobilität, hier durch die Eisenbahn, begünstigte die Ausbreitung der Pest. Diese breitete sich entlang der Schienen in Richtung Osten aus. Doch die Ärzte verwechselten die Symptome der Pest zunächst mit denen des Typhus. Auch in Indonesien wütete die Pest zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Europäische Mediziner, die zum indonesischen Archipel gingen, fanden heraus, dass die Bevölkerungsdichte für das Ausmaß einer Pestepidemie gar nicht von so großer Bedeutung war, wie gedacht. Viel wichtiger für die Verbreitung sind:
a) die klimatischen Verhältnisse
b) die Zahl der Rattenflöhe
c) die Zahl der Ratten und
d) die Lebensverhältnisse der Menschen.
Klimatische Verhältnisse mit hohen Temperaturen und Luftfeuchte sind für die Seuche ideal. Sie lassen die Flohlarven aus den Eiern schneller schlüpfen und somit gibt es mehr Flöhe. Ein portugiesischer Bakteriologe namens Ricardo JORGE benutzte erstmals den Begriff „Silvatische Pest“. Dieser Begriff ist allerdings missverständlich, da diese Pest nicht nur aufgrund der Nagetiere, die im Wald (lat. silva) leben, sondern auf die Nager in den Steppen im Osten zurückzuführen ist. Die Beulenpest unter Menschen setzt gewöhnlich ein, wenn die Pest unter den Ratten gewütet hat. Dann kann es auch zur Lungenpest kommen. Im Jahre 1910/1911 gab es in der Mandschurei eine verheerende Lungenpestepidemie, wahrscheinlich die Größte, die es je gegeben hat. Die Ärzte haben sie wie auch in anderen Regionen wieder mit einer anderen Krankheit verwechselt. Diesmal gingen sie von einer schweren Influenza aus. In Ostasien hörte die Pest auch nach dem 1. Weltkrieg und dem russischen Bürgerkrieg nicht auf. Anfang der 1920er fand man heraus, dass die Pest zu ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten auftritt. In der Mongolei trat die Pest nie im Winter auf, da die Steppenmurmeltiere und die anderen Nager Winterschlaf halten und sich die Tiere davor von Parasiten wie Flöhen gereinigt haben. Die Pest von Indien gelangte 1897 auch in das südliche Afrika. Seit 1914 hat man dort die Ratten systematisch getötet, um die Seuche zu besiegen. So wurden in den Jahren 1912 bis 1914 mehrere Millionen Tiere getötet. Aber die Pest grassierte immer noch in Afrika, vor allem nach dem Ende des 2. Weltkrieges in Ländern wie Senegal.

4.1.3.3 Die Pest in Europa und Nordamerika

Die dritte große Pestepidemie erreichte von den Küsten Asiens ausgehend auch Nordamerika. In den USA ist die Pest 1900 gewesen. Der erste betroffene Bundesstaat war Kalifornien. Auch Naturkatastrophen wie Erdbeben waren für die Pest von großer Bedeutung. Wenn man zum Beispiel das Erdbeben in San Francisco um 1906 betrachtet, gab es vor diesem Datum maximal 46 Pestfälle pro Jahr. Nach 1906 waren es schon 191. Bis 1940 war die unter den Nagern verbreitete „Silvatische Pest“ über die ganze westliche USA verbreitet, und 1942 erreichte sie Kanada. Trotz dieser Verbreitung gab es in diesen Gebieten nur wenige Tote. Selbst Europa war nicht frei von der Pest im 20. Jahrhundert. Sie trat immer in Folge von Kriegen auf. Im Ersten 1919 gab es mehrere tödliche Pestfälle in Paris. Außerdem war die Pest in Griechenland, wo sie viele Leben kostete. Sehr viele Pestfälle gab es auch auf den Azoren und auf Madagaskar.

4.2 Die Pest in Deutschland während des Dreißigjährigen Krieges

Der Dreißigjährige Krieg war die furchtbarste Tragödie, die Deutschland je erlebt hat, vielleicht sogar noch schlimmer als die beiden Weltkriege. Die Dimensionen von Tod, Terror, Hunger und wirtschaftlicher Not sind unvorstellbar. Forschungen im 19. Jahrhundert kamen zu dem Ergebnis, dass nur ein kleiner Teil der Opfer durch Waffen umkamen. Alle anderen, schätzungsweise mehrere Millionen Menschen, starben an Seuchen. Weite Teile Europas und nicht nur Deutschlands wurden nach 1630 von der Pest heimgesucht. Vielleicht war die Witterung daran beteiligt, denn ab 1630 war es wärmer als zuvor. Die anhalten Kämpfe des schwedischen Heeres fachten die Feindseligkeit der Länder wieder an. Die umherziehenden Heere begünstigten die Verbreitung der Seuche. Der Schwedenkönig Gustav II. stieß auf seinem Zug nach Süddeutschland ungefähr bei Nürnberg auf die kaiserliche Armee Wallensteins. Daraufhin breitete sich in diesem Raum die Pest aus. Nürnberg wurde dabei stark in Mitleidenschaft gezogen. Diese Stadt hatte vor dem Dreißigjährigem Krieg, also um 1620, rund 50.000 Einwohner und im Zeitraum zwischen 1632 und 1634 starben davon etwa 25.000 Menschen an Seuchen, die allermeisten an der Pest. Die Jahre 1633 bis 1635 brachten Deutschland die bisher schwersten Pestjahre. Man konnte sagen, überall wo Heere wüteten, gab es auch die Pest. In weiten Bereichen Deutschlands gab es auch vor diesen Jahren schon eine Bevölkerungsabnahme, aber in dieser Zeit waren die Verluste viel höher einzuschätzen. Bei der Schlacht von Nördlingen, die sehr umkämpft war, starben Anfang August 1643 rund 350 Soldaten. Aber bald danach forderte die Pest Tausende Opfer zusätzlich. Seit September bis November 1634 hatte Nördlingen eine sehr hohe Zahl an Verstorbenen. Vor 1634 waren in jedem Quartal 146 Menschen gestorben, danach waren es neunmal so viel, nämlich 1549. Zwischen 1627 und 1640 halbierte sich die Anzahl der Haushalte. Manche Familien starben vollkommen aus. Einige große Städte Deutschlands verloren ebenfalls die Hälfte ihrer Einwohner und erreichten die ursprüngliche Bevölkerungszahl erst wieder im 19. Jahrhundert, also mehr als 200 Jahre später. In Nürnberg, dass im Jahre 1620 50.000 Einwohner hatte, erreichte diese Zahl erst wieder 1845. Die Bevölkerungsverluste waren jedoch regional sehr unterschiedlich. Am stärksten waren sie innerhalb eines breiten Gürtels, der Deutschland von Südwesten nach Nordosten durchzog und somit Thüringen, Sachsen und Pommern durchlief.

4.3 Die Pest in Thüringen

4.3.1 Die Pest im Saaletal

Im Saaletal trat die Pest erstmals um 1342, zu der Zeit des Grafenkrieges, aus. Diese Pestwelle hielt ungefähr bis 1345 an. Ein weiterer starker Pestausbruch war um 1446, zur Zeit des Bruderkrieges. Dieser dauerte bis 1451. Aus dem Jahr 1542 wurden dann erstmals Zahlen bekannt. In diesem Jahr starben allein in Jena 900 Menschen an der Pest. Das waren unglaubliche 1/3 der Einwohner Jenas. 1566 wurde das Saaletal nochmals von der Pest heimgesucht. In Orlamünde, Kahla und Jena starben 800 Menschen. Außerdem wütete die Pest sehr stark im 30-jährigem Krieg. In diesem schrecklichen Krieg starb fast die Hälfte der Bevölkerung. Viele davon nicht durch den Krieg, sondern durch die Pest. 1628 starben in Löberschütz und Lindig wieder Menschen an der Pest. Diesmal waren es 88. 1638 wütete die Pest auch in Hummelshain. Sie brachte diesmal aber „nur“ 47 Tote mit sich. Dies waren aber immerhin 1/3 der Bevölkerung Hummelshains. Ab dem 17. Jahrhundert hatte man dann die Pest im Saaletal besiegt. Danach gab es keine neuen Pestfälle.

4.3.2 Die Pest in Erfurt 1682 – 1684

Im Frühjahr 1682 brach die Pest in einem kleinen Dorf bei Erfurt, in Niederzimmern, aus. Um die Verbreitung der Seuche zu verhindern, wurde das Dorf militärisch abgeriegelt. Jedem der das Dorf verlassen wollte, wurde die Todesstrafe angekündigt. Die folgende Abbildung, eine zeitgenössische Federzeichnung, zeigt die Wachposten rund um das Dorf.
 
▲ Wachposten um Niederzimmern
 
Doch alle Maßnahmen halfen nichts. Anfang Juli 1682 gab es mehrere Tote in der Krämpfervorstadt. Sie starben an der Beulenpest. So erreichte die Pest auch Erfurt, wo zu dieser Zeit 16300 Einwohner lebten. Über den Verlauf der Seuche berichtet eine Sammlung von Briefen, die an den Erzbischof geschrieben wurden. Diese Handskizze von Baron de Mortaigne zeigt die betroffene Krämpfervorstadt. Heute ist dieses Gebiet nördlich des Juri - Gagarin - Denkmals zu finden. Mortaigne schlug vor, die Kämpfervorstadt zum Quarantänequartier zu machen, in dem die Behandlung und Bestattung der Menschen stattfinden sollte. Doch die Stadträte Erfurts waren noch unentschlossen und so breitete sich die Pest rasch aus. Benachbarte Territorien wie Weimar, Eisenach und Gotha schlossen die Grenzen zu Erfurt, um eine Infizierung zu vermeiden. In Kirchheim wurde eine Schranke errichtet, über die Brennstoffe und Nahrung eingeführt wurden. Doch trotz dieser strengen Maßnahmen wurden zahlreiche Dörfer rund um Erfurt verseucht. In Niederzimmern starben bis zum Ende des Jahres 295 Menschen. Die Schutzmaßnahmen vor der Pest wurden jetzt noch weiter verbessert. Häuser infizierter Menschen wurden gekennzeichnet und bei Verlassen der Häuser wurde mit der Todesstrafe gedroht. Bis Ende 1682 waren bereits 150 Menschen in der Stadt gestorben. Im Winter und Frühjahr ging die Zahl der Erkrankten wie bei jeder Pestepidemie zurück, weil die Flöhe im Winter starben. Im April 1683 wurde schon ein Dankfest wegen der überstandenen Seuche gefeiert. Aber schon im Mai verschlimmerte sich die Situation. Außerdem wurden die Flöhe wieder aktiver. Der Statthalter berichtete von immer schneller ansteigenden Todeszahlen und infizierten Häusern, wie zum Beispiel am 23. Juni: „[...] vergangene Woche 99 Personen verstorben / 44 Häuser angegangen“, und „[...] das, leider Gottes, wir nunmehr in allen Gassen das Übel haben.“ (aus LANGE 2003, Zeitschrift). Die Lage war nur auf dem Ettersberg (bei Weimar) besser, wo Mortaigne seine Vorstellungen radikal umsetzte. Das Gebiet blieb von der Pest verschont. In der Stadt wurde die Seuche nun wöchentlich schlimmer. Es starben mittlerweile 130 Menschen pro Woche. Im Juli wurden Maurer beauftragt, Massengräber auszuheben. Im September beschwerte sich Mortaigne über die Ärzte, weil sie die Toten nicht obduzierten und sie so keine Ursache für die Krankheit fanden konnten. Stattdessen wurde angeordnet die Gassen auszuräuchern, dies sollte die vergiftete Luft reinigen. Außerdem wurde mit Kanonen in die Straßen geschossen um die vergiftete Luft zu zerteilen. Doch schon beim ersten Schuss starb ein Kind und das Schießen wurde eingestellt. Mit Beginn des Winters nahm die Seuche wieder ab. Nur noch 5 Tote wurden pro Woche verzeichnet. Am 18. Januar 1684 wurde der letzte Pesttote beerdigt. Aber erst im Juni beendigten die Nachbarstädte Weimar, Erfurt, Gotha und Eisenach die Sperre zu Erfurt. In den Jahren von 1682 bis 1684 sind in Erfurt 9437 Menschen an der Pest gestorben. Erst Hundert Jahre später (1800) erreichte die Stadt wieder die Einwohnerzahl von 1682.

4.3.3 Das Ende der Pestepidemien

Während die Pest 1683 in Erfurt noch in vollem Maße wütete, isolierte Meiningen die Infizierten erfolgreich. So wurde die Ausbreitung nach Süden und Westen des Landes gestoppt. Allerdings breitete sie sich nach Nordwestthüringen ins Eichsfeld aus, wo (wie in Erfurt) die Hälfte der Einwohner starben. Alle späteren Pestepidemien haben Thüringen weitestgehend verschont. Die in den Jahren 1707-1711 von Osten her kommende Pest suchte nur Polen heim. Auch das letzte große Pestereignis in Europa um 1713, das von Wien kam und Prag traf, breitete sich nicht weiter nach Westen aus und erreichte Deutschland nicht. Die Ausbreitung nach Westen wurde durch strenge Kontrollmaßnahmen verhindert. Aber auch andere günstige Faktoren hatten Einfluss auf die Ausbreitungsrichtung. Vor allem Flusssysteme spielten eine große Rolle. Für Thüringen ist auffällig, dass sich die Pest vorrangig im Einzugsbereich der Unstrut verbreitete, jedoch im Bereich der mittleren Saale endete und im Flussgebiet der Ilm nur bis Apolda reichte. Im Bereich der Weißen Elster und Pleiße stoppte die Ausbreitung südlich von Leipzig. Die Gründe dafür lassen sich nur schwer erklären. Vielleicht stoppte die erhöhte Wasserführung der Flüsse und die damit verbundene stärkere Strömung das Ausbreiten der Ratten flussaufwärts. Aber dies sind nur Vermutungen. Für die abnehmende Ausbreitung der Pestepidemie im 18. Jahrhundert ist auch die Entwicklung der Städte relevant. Es gab verbesserte Hygiene und bessere Abwasserleitungen, die Straßenreinigung wurde verstärkt kontrolliert und Nutztiere durften nicht mehr in den Stadtzentren gehalten werden. All diese Umstände verschlechterten das Leben der Ratten. Außerdem verhinderte die massive Bauweise der Häuser das Eindringen der Ratten. Diese Faktoren verhinderten das erneute Vordringen der Pest.

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